Was ist polyphasischer Schlaf? Das fragen Sie sich wahrscheinlich, wenn Sie den Begriff irgendwo im Zusammenhang mit der Selbstoptimierung, mit der Optimierung des Schlafs oder der Produktivitätssteigerung gelesen haben. Es handelt sich beim polyphasischen Schlaf um das Aufbrechen der mehrstündigen Nachtruhe in mehrere kürzere Schlafphasen. Anstatt also für 8 Stunden zu schlafen und dann 16 Stunden wach zu sein, werden mehrere kürzere Wachphasen von kurzen Schlafzeiträumen unterbrochen. Das soll dazu führen, dass man insgesamt länger wach und produktiv sein kann. Neben dem „Wie schaffe ich das?“ sollten Sie sich auch „Ist das gesund?“ fragen.
Polyphasischer Schlaf – Schlafmuster im Überblick
Mehrphasiger Schlaf kann verschieden praktiziert werden und je nach Schlafmuster unterschiedliche Wach- und Schlafphasen aufweisen. Die extremsten Formen beinhalten dabei 4 bis 6 Phasen zu jeweils nur 30 oder 20 Minuten – also insgesamt nur 2 Stunden Schlaf am Tag. Allgemein kann man diese Muster unterscheiden:
Schlafmuster | Schlafzeit in 24 Stunden | REM-Phasen (im Idealfall) | Vorgehen |
Monophasisch | ca. 8 h | 5 Phasen | Normaler Nachtschlaf von 8 Stunden am Stück |
Aufgeteilt | ca. 7 h | 4 Phasen | 2 × 3,5 Stunden Schlaf |
Biphasisch (20-Minuten-Nap) | ca. 6,3 h | 5 Phasen | 6 Stunden Nachtschlaf und 20 Minuten Nickerchen |
Biphasisch (90-Minuten-Nap) | ca. 6 h | 4 Phasen | 4,5 Stunden Nachtschlaf und 90 Minuten Nickerchen |
Triphasisch | ca. 4,5 h | 3 Phasen | 3 × 1,5 Stunden Schlaf |
Everyman („Jedermann“; mit zwei Nickerchen) | ca. 5,2 h | 5 Phasen | 4,5 Stunden Schlaf und 2 x 20 Minuten Tagesschlaf |
Everyman („Jedermann“; mit drei Nickerchen) | ca. 4 h | 5 Phasen | 3 Stunden Schlaf und 3 x 20 Minuten Tagesschlaf |
Everyman („Jedermann“; mit vier bis fünf Nickerchen) | ca. 3 h | 5 bis 6 Phasen | 1,5 Stunden Schlaf und 4x oder 5x 20 Minuten Tagesschlaf |
Dymaxion | ca. 2 h | 4 Phasen | 4 x 30 Minuten Nickerchen alle 6 Stunden |
Uberman („Übermensch“) | ca. 2 h | 6 Phasen | 6 x 20 Minuten Nickerchen alle 4 Stunden |
Quelle: Wikipedia
Hinweise zu Dymaxion-, Uberman- und Everyman-Methode
Sowohl zum Dymaxion- als auch zum Uberman-Muster gibt es ein paar Hinweise, die sich aus der oben angegebenen sowie aus weiteren Quellen ergeben. So geht polyphasischer Schlaf im Dymaxion-Muster auf den Architekt Richard Buckminster Fuller zurück, der die 2 Stunden Schlaf pro Tag vermittels 30-minütigen Schläfchen alle 6 Stunden über zwei Jahre durchgehalten haben soll.
Das Uberman-Muster beschrieb die Süddeutsche Zeitung nebst weiteren Mustern des polyphasischen Schlafs bereits im Mai 2010. Im Artikel heißt es, dass eine Amerikanerin mit dem Internet-Pseudonym PureDoxyK für die Uberman-Methode bereits Anfang des Jahrtausends folgende zwei Voraussetzungen definiert habe:
- Disziplin beim Einhalten der Schlafphasen ohne Verlängern / Verkürzen / Aussetzen
- Durchstehen der rund 10-tägigen Übergangsphase, die besonders schwer sein soll
Dem Artikel der Süddeutschen Zeitung ist zu entnehmen, dass auch das Everyman-Muster auf PureDoxyK zurückgeht. Sie wollte den Angaben nach als berufstätige Mutter den Uberman-Schlaf noch einmal in ihren Alltag integrieren. Dies misslang, weswegen sie kurzerhand ein für sie passenderes Muster erfand.
Nachtruhe optimieren oder Biorhythmus stören?
Wer sich mit der Optimierung von Schlaf beschäftigt, tut dies meist, um am Tag mehr Zeit für produktive Arbeit zu haben. Zeit ist Geld – und wer mehr Zeit hat, hat auch mehr Geld. So lautet die einfache Logik für Studierende, Jobber/innen, Selbstständige und viele mehr. Doch braucht es zum Einhalten der oben aufgezeigten Modelle absolute Disziplin und eine harte Eingewöhnungsphase. Diese neben der Arbeit und dem Alltag zu meistern, das ist für viele sicher ein großes Problem.
Ein noch größeres Problem ist es, wenn der Körper nur mit dem herkömmlichen Schlafrhythmus klar kommt. Wo der Umstieg von 8 Stunden am Stück auf 6 Stunden Nachtschlaf und 20 Minuten Mittagsschlaf wahrscheinlich kein Problem darstellt (so zumindest nach einer Studie von 1991), da können vor allem extrem kurze Schläfchen, die nur zu 4 oder gar 2 Stunden Schlaf pro 24 Stunden am Tag führen, schon eher negative Einflüsse haben: Stress, Verstärkung einer Depression, weniger Regeneration von Körper und Geist, verschleppte Krankheitsverläufe, etc.
Sollten Sie sich also dazu entscheiden, eines der mehrphasigen Schlafmodelle auszuprobieren – oder sollten Sie planen, diese nacheinander bis zum „Uberman“ zu trainieren –, dann sprechen Sie dies zuvor mit einer Ärztin / einem Arzt ab. Vor allem bei bereits bestehender mentaler Belastung kann sich selbige durch zu wenig Schlaf verstärken und eventuell Erkrankungen provozieren. Aber auch körperlich ist polyphasischer Schlaf kritisch zu sehen. Auf jeden Fall ist er nichts für die Anwendung über viele Jahre hinweg.
Schlagwort REM-Schlaf: Was ist mit den anderen Schlafphasen?
Bei Beschreibungen, Diskussionen und Anleitungen zum polyphasischen Schlaf wird immer wieder die REM-Schlafphase als Schlagwort angewendet. Es wird beschrieben, dass diese bei den kurzen Nickerchen zu erreichen ist, damit diese als erholsam gelten können. Doch neben dem REM-Schlaf, der beim mehrphasigen Schlafen hervorgehoben wird, gibt es noch einige andere Schlafphasen, die vor allem bei kurzen Nickerchen nicht stattfinden – etwa der Tiefschlaf.
Leichter Schlaf, Tiefschlaf und REM (Rapid Eye Movement) zeichnen sich durch verschiedene Frequenzen und Amplituden von Hirnströmen aus, die bspw. per EEG gemessen werden können. Ein Durchlauf aller Phasen vom Einschlafen über den Tiefschlaf und REM hin zum neuerlich leichten Schlaf tritt dabei meist nur auf, wenn mindestens 90 Minuten am Stück geschlafen wird (erster Schlafzyklus). Anschließend folgen veränderliche Schlafzyklen. Das Ganze wird aufgebrochen, wenn weniger als 90 Minuten am Stück geschlafen wird.
Polyphasischen Schlaf ausprobieren oder lieber nicht?
Ob Sie sich den mehrphasigen Schlaf antrainieren wollen oder nicht, das ist letztlich Ihre Entscheidung. Vor allem bei den Mustern mit insgesamt langer Wachphase von bis zu 22 Stunden am Tag sollten Sie aber damit rechnen, dass die Umstellung hart wird und der Versuch vielleicht fehlschlägt. Der Schlafmangel kann vor allem in der Übergangszeit zur Schwächung der Konzentration, zu hoher Müdigkeit und zu anderen Nachteilen führen. Leiden Sie bereits unter Stress, Depressionen oder anderen mentalen Belastungen, sollten Sie auch nicht direkt die extremste Form wählen. Sprechen Sie das Vorgehen am besten mit einer Ärztin / einem Arzt ab.